Sonntag, 20. Mai 2018

Da war es nur noch eins


Schon seit Längerem erwarteten M und ich, dass Walburga sterben würde. Sie war nicht mehr gut zu Fuß, zeigte aber nach wie vor einen starken Überlebenswillen. Sie fraß, sie trank, sie kam angewackelt, sobald ich unseren letzten beiden Hühnern Grünzeug über den Zaun warf. Sie schaffte es nicht mehr, die steile Leiter in den Stall hochzusteigen. M oder ich setzten sie daher jeden Abend hinein, damit sie es wenigstens warm hatte. Walburga sprang auch schon seit längerem nicht mehr auf die Hühnerstange, sondern schlief am Boden. Aber im Gegensatz zu Claudette wollte dieses Huhn weiter leben.

Schweren Herzen musste M Claudette Ende letzten Jahres den Kopf abschlagen. Sie fraß nicht, sie trank nicht. Sie weiter leben zu lassen, wäre eine einzige Quälerei gewesen. Noch heute fühlt sich M unbehaglich, wenn er an Claudettes Tod denkt. Sie wehrte sich nicht, blieb auf dem Hackklotz liegen und der Kopf war mit einem gezielten Schlag ab. Doch es roch alles nach Blut und die rote Flüssigkeit verteilte sich rund um den Baumstamm.

Mein tapferer Schatz begleitete auch Walburga bei ihren letzten Atemzügen. Nicht die ganze Zeit, aber er war bei ihr und irgendwann geleitete er sie zu ihrer endgültigen Ruhestätte.

Wilhelmine im neuen Zuhause
Es blieb unser letztes Huhn übrig. Wilhelmine. Viel zu gesund und viel zu schön, um zu sterben. Da waren M und ich uns einig. Anfangs zogen wir in Erwägung, sie ebenfalls über den Jordan zu schicken, wenn Walburga stirbt, aber wir brachten es nicht übers Herz. Stattdessen suchte M einen neuen Platz für Wilhelmine. Die erste Idee war, dass sie bei dem Mann leben könnte, von dem wir damals unsere Hühner geholt  hatten – alle bis auf das deutsche Reichshuhn Wilhelmine. Bei dem Gedanken wurde mir flau im Magen, denn sie müsste dort unter sehr vielen anderen Hühnern leben. Ich weiß gar nicht, wie viel Federvieh auf dem kleinen Hof leben, aber weniger als 50 sind es nicht. Wilhelmine wäre die neue, allein und sicherlich bald das Mobbingopfer. Ob noch eine ihrer wunderschönen Federn erhalten bliebe, bezweifelte ich stark.

M setzte sich trotzdem mit dem Hühnerbesitzer in Verbindung und er wusste eine bessere Lösung. Seine Mutter beherbergt ältere Hühner. Insgesamt verfügte sie über eine Schar mit 5 Hennen und einem Hahn. Dort zog unser kleines Reichshuhn ein. Optisch passt sie hervorragend zu den anderen und die neue Besitzerin ist beeindruckt von ihrer Schönheit. Die alten Hennen pickten sie sofort weg, doch der Hahn sprang ihr zu Seite und half ihr. Aber auch er hat Wilhelmine eine verpasst. In den nächsten Tagen wird sie sich eingewöhnen und in der kleinen Herde hoffentlich einen wunderschönen Lebensabend verbringen.

Mein Fazit zur Hühnerhaltung:

Pro: interessante Charaktere
Hühner sind intelligent Tiere. Sie haben unterschiedliche Charaktere und ich bin froh, diese Geschöpfe kennengelernt zu haben. Unsere vier waren unterschiedlich wie Tag und Nacht, freundlich aufgeschlossen, schüchtern scheu, verfressen und neugierig.

Pro: geringer Aufwand
Unsere Hühner machten wenig Arbeit. Der Stall wird regelmäßig ausgemistet, Wasser und Futter bereitgestellt und die Stalltür geöffnet und geschlossen.

Pro: Schädlingspolizei
Hühner picken alles weg, was sie erwischen. Raupen, Schnecken, Fliegen. Sogar Mäuse, wenn sie sie schnappen. Schnecken waren in unserem Garten kein Problem.

Contra: Gartenzerstörer
Hühner scharren. Sie scharren mit Leidenschaft, denn sie suchen sich so ihr Futter. Sie sind überaus effiziente Scharrer und lässt man sie frei im Garten laufen, so erkennt man diesen bald nicht wieder.

Contra: unsere Art der Nutzung
Unser Federvieh sollte ein glückliches Leben führen, Eier waren ein Benefit, aber kein Muss. Während der kalten Jahreszeit legten unsere Hühner keine Eier, da die Tage zu kurz sind und Küken zu dieser Jahreszeit aufzuziehen den sicheren Tod bedeuten würde (welcher Vogel brütet schon mitten im Winter). Je älter die Mädels wurden, desto weniger Eier legten sie, bis sie die Produktion völlig einstellten. Hält man Hühner, um sowohl das Fleisch als auch die Eier zu essen, lohnt sich die Investition in das Futter und der Aufwand. Die Herde muss jung gehalten werden, um möglichst viel Nutzen aus ihr zu ziehen. Ansonsten sind Hühner nur ein nettes Haustier, das wie alle anderen Haustiere hauptsächlich Kosten verursacht.

Contra: Das Ungeziefer
Ein weiteres Problem ist, dass wir es nie geschafft haben, den Stall bzw. das Gehege so sauber zu halten, dass wir kein Ungeziefer anzogen. Auch wenn wir das Futter abends aus dem Stall herausholten und in einer Plastikkiste verstauten, so flogen dennoch einzelne Körner im Gehege und im Stall herum. Wir hatten im letzten und vorletzten Jahr mit Ratten zu kämpfen. Diese wegzufangen macht keinen Spaß, zumal man nie sicher sein kann, was sonst noch in die Fallen geht. Wir fanden in den Fallen Vögel, einmal einen Igel (glücklicherweise nur am Fuß verletzt) und zahlreiche Mäuse. All diese Tode und Verletzungen wollten wir nicht mehr verantworten. Gleichzeitig konnten wir die Ratten in unserem Garten nicht akzeptieren unsere Nachbarn waren nebenbei auch nicht darüber erfreut.

Für uns steht fest: Es war eine schöne Erfahrung, die wir nicht missen möchten. Aber Hühner wird es bei uns nicht mehr geben.

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