Sonntag, 28. Januar 2018

Du kennst keinen Grünkohl?

„Das hab ich glaube ich noch nie gegessen“, sagte mein Schwesterlein.
Ich kann gar nicht sagen, wie mein Gesichtsausdruck war, vermutlich irgendwas zwischen Fassungslosigkeit, Überraschung und Unverständnis. Da wir die gleiche Kindheit durchlebten, weiß ich, dass wir als Kinder nie Grünkohl vorgesetzt bekamen. Aber es liegen viele Jahre und Erfahrungen dazwischen ... Und mal ehrlich: Grünkohl ist nach Zwiebeln das beste Gemüse überhaupt!

Als meine Schwester und ihr Freund über Weihnachten zu Besuch waren, lag es nahe, ihr neue kulinarische Welten zu eröffnen. M und ich standen in der Küche, er mit knurrendem Magen und voller Erwartung: „Was gibt es heute zu Essen?“
„Grünkohl“, antwortete ich ihm.
„Uh“, rief er aus. Seine Freude darüber konnte er kaum unterdrücken. Ich stellte mir vor, er würde vor Freude hüpfen, aber natürlich tat er das nicht.
„Wo ist er denn? Wie viel hast du gekauft?“
Vorwurfsvoll schaute ich ihn an: „Der kommt aus dem Garten!“
„Ach so. Bring aber genug mit, ja?“
„Hmm, was glaubst du, wie viel ich ernten sollte?“, fragte ich.
M zuckte mit den Schultern.
„Zwei oder drei Pflanzen?“
„Was? So wenig? Davon werden wir ja nie satt,“ beschwerte er sich.
„Naja, es ist eine Grünkohlpalme. Da ist schon ein bisschen was dran.“
„Aber die schrumpfen so zusammen, wenn man sie kocht ...“, jammerte M.
Ja, das tun sie wirklich, dachte ich traurig. „Aber ich hab nur vier Pflanzen“, entschuldigte ich mich.
Ich erwartete, Tränen in Ms enttäuschtem Gesicht zu sehen, sie blieben aber aus.
„Dann mach, wie du meinst“, murmelte er.



Ich schwang mich aufs Rad und fuhr in den Schrebergarten. Mit einer großen Astschere schnitt ich drei Pflanzen ab und drapierte sie in den Satteltaschen meines Fahrrads. Unterwegs begegnete ich Spaziergängern, die mir ungläubig murmelnd hinterherschauten, meiner erstaunten Schwägerin S, die selbst aus dem Garten kam und unserem Nachbarn, der mich ironisch fragte, ob das bisschen uns wohl sättigen könne.


Der Kohl nahm den gesamten Küchentisch ein. Auf dem Foto ist nur die Hälfte der Ernte zu sehen. Damit ich es überhaupt schaffte, den Kohl in meinen ca. 8 Liter fassenden Topf zu bekommen, blanchierte ich die grünen Blätter. Das habe ich bisher noch nie getan. Der Kohl fiel so weit zusammen, dass ich ihn mit etwas Gewalt in den Topf bekam. Eine knappe Stunde Kochzeit später, war der Kohl auf die Hälfte seines Volumens geschrumpft.


Zum Kohl gab es Kartoffeln und vegetarische Cordon Bleus. Mein Schwesterlein mochte den deftigen, fettigen (dank Butterschmalz) Kohl und auch ihrem Freund mundete es.
„Warum haben wir das früher eigentlich nie gegessen?“, fragte meine Mutter, die sich nach dem Essen ihren prall gefüllten Bauch hielt.

PS: Der Grünkohl hat gereicht, um alle satt zu machen. Es ist sogar noch so viel übrig geblieben, dass ich eine Portion für M, JF und mich einfrieren konnte.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen